In dieser Artikelreihe wollen wir uns näher mit der Designphilosophie der 5ten Edition von Dungeons and Dragons auseinandersetzen. Sie richtet sich vor allen an Dungeon Master, die durch ein besseres Verständnis der Designentscheidungen von D&D ihr Spiel verbessern können. Sie ist aber natürlich auch für Spieler interessant, die mehr über das Spiel lernen wollen.
Warum besiegen meine Spieler alle Gegner ohne große Probleme?
Kennt ihr das? Ihr habt euch auf den großen Endkampf gefreut und er ist nach zwei Runden vorbei? Ihr habt tagelang damit zugebracht, eigene Monster zu entwerfen, die innerhalb von einer Runde niedergemetzelt werden? Ihr entwerft Kampfbegegnungen entsprechend der Regeln im Dungeon Master Guide oder Xanathars Ratgeber für Alles und trotzdem stampfen eure Spieler die Monster regelrecht in den Boden und selbst tödliche Begegnungen meistern sie mit Leichtigkeit?
Dafür kann es verschiedene Ursachen geben. Fünf davon wollen wir uns in diesem Artikel näher anschauen:
- Gewürfelte Attribute der Spielercharaktere
- Magische Gegenstände
- Ihr benutzt die optionalen Flankieren-Regeln
- Die Monster bleiben unter ihrem Potential
- Der Abenteuertag wird nicht verwendet
Wenn die Kämpfe zu leicht sind, hängt das meistens an einem dieser fünf Ursachen oder gar einer Kombination aus diesen. Die Gründe dafür wollen wir uns genauer anschauen und auch Lösungsvorschläge anbieten.
1. Gewürfelte Attribute der Spielercharaktere
Das Spielerhandbuch gibt drei Möglichkeiten vor, wie man die Attribute der Spielercharaktere bestimmt: Die Standardverteilung (15,14,13,12,10 und 8), Attribute maßschneidern (Point-Buy-System) und das Auswürfeln der Attribute mit 4w6 drop lowest.
Bei der Standardverteilung und dem Attribute maßschneidern kann der höchste Wert, den ein Charakter auf Stufe 1 hat, nicht größer als 15 sein, was mit den Attributsboni die die Völker geben, auf maximal 17 kommt. Das heißt, der höchste Attributsbonus, den ein Charakter auf Stufe 1 haben kann, ist +3.
Wenn man jedoch die Werte auswürfelt, kann es theoretisch passieren, dass ein Charakter auf Stufe 1 schon inklusive der Volksboni ein Attribut mit 20 hat. Der Bonus ist dann +5, anstatt +3.
Wenn das der Fall ist (und häufig vorkommt, wenn die Spieler zu Hause ihre Charakter auswürfeln und nicht, wenn der DM dabei ist), kann das die Spielbalance zugunsten der Spieler beeinflussen. Jetzt könnte man denken, dass ein Stärkebonus von +3 oder +5 keinen großen Unterschied macht, doch dieser Unterschied ist da und vor allem bei stärkeren Monstern, wie z.B. dem Endgegner im Dungeon, kann er ziemlich viel ausmachen.
Schauen wir uns die Mathematik an.
Unabhängig von der Rüstungsklasse eines Monsters erhöht sich die Trefferquote um 5% für jeden +1 Attributsbonus, den man auf seinen Angriffswurf erhält. Zusätzlich erhöht sich der Schaden (bei Nahkampfwaffenangriffen und Fernkampfwaffenangriffen) auch um +1.
5% klingt jetzt nicht viel, aber wenn wir dann noch die Rüstungsklasse dazunehmen, dann kann das große Effekte haben.
Nehmen wir als Beispiel die belebte Rüstung. Diese hat einen Schwierigkeitsgrad von 1, eine Rüstungsklasse von 18 und 33 Trefferpunkte. Eine belebte Rüstung ist eine mittelschwere Herausforderung für eine Gruppe von 3-5 Spielercharakteren der Stufe 1, laut den Regeln.
Nehmen wir der einfachheitshalber an, dass unsere Gruppe aus 4 Kämpfern der Stufe 1 besteht, die alle Zweihandhämmer verwenden (2w6 Schaden).
Variante 1 – Standardwerte:
Der Kämpfer hat eine Stärke von 16 (+3). Das heißt, sein Angriffsbonus mit dem Zweihandhammer ist +5 (+3 von der Stärke und +2, weil er mit der Waffe geübt ist). Er macht 2w6+3 Schaden, das sind im Durchschnitt 10 Schaden.
Mit seinem Angriffsbonus von +5 muss ein Spieler eine 13 oder mehr würfeln, um die belebte Rüstung zu treffen. Das ist eine Trefferquote von 40%. Von zehn Angriffen werden im Schnitt 4 treffen.
Das heißt, ein Kämpfer macht im Durchschnitt pro Runde 4 Schaden (10 Schaden * 40% = 4).
Um die 33 Trefferpunkte der belebten Rüstung auf 0 zu reduzieren, brauchen 4 Kämpfer im Durchschnitt also 2,0625 Runden (4 Kämpfer machen je 4 Schaden pro Runde = 16 Schaden pro Runde).
Variante 2 – gut gewürfelte Werte:
Der selbe Kämpfer mit einer Stärke von 20 (+5) hat einen Angriffsbonus von +7 (5+2) und macht im Durchschnitt 12 Schaden (2w6+5 Schaden).
Er muss eine 11 Würfeln, um zu treffen. Das heißt, seine Trefferchance liegt bei 50%. 10% mehr als vorher. Von zehn Angriffen treffen im Schnitt 5. Das klingt jetzt nicht nach wahnsinnig viel, aber relativ ist das eine Steigerung von 25%. Er macht 25% mehr Treffer (vorher 4, jetzt 5 ist eine Steigerung um 25%). Und er macht mehr Schaden.
Ein Kämpfer macht im Durchschnitt jetzt 6 Schaden (12 Schaden * 50% = 6).
Das heißt, sein durchschnittlicher Schaden pro Runde gegenüber der belebten Rüstung hat sich durch den Bonus von +2 um 50% erhöht!
Um die 33 Trefferpunkt der belebten Rüstung auf 0 zu reduzieren, brauchen 4 Kämpfer im Durchschnitt nur noch 1,375 Runden.
Das heißt, in Variante 1 kann es sein, dass die belebte Rüstung bis zu 3 mal selbst angreifen und Schaden machen kann, in Variante 2 kann es passieren, dass sie nur einmal überhaupt Angreifen kann, bevor sie besiegt wird.
Eine belebte Rüstung macht im Durchschnitt gegen Charaktere mit einer Rüstungsklasse von 16 nur 5 Schaden pro Runde. Das heißt, der +2 Bonus, den die Spielercharaktere haben, weil sie gut gewürfelt haben, sorgt dafür, dass die belebte Rüstung nur einen Spielercharakter verletzten kann, anstatt einen bewusstlos zu schlagen.
Rein mathematisch reduziert der zusätzlich +2 Bonus durch die gut gewürfelten Attribute die Kampfzeit im Durchschnitt um ganze 33% (1,375 Runden / 2,0625 = 0,66666).
Interessanterweise ist der Bonus umso stärker, je höher die Rüstungsklasse ist.
Nehmen wir einen Zombie mit einer Rüstungsklasse von 8 und 22 Trefferpunkte. 4 Zombies sind ein mittelschwerer Kampf für unsere Gruppe auf 4 Kämpfern der Stufe 1. 4 Zombies haben insgesamt 88 Trefferpunkte.
Variante 1 – Standardwerte:
Die Spielercharaktere treffen mit einer 3. Ihre Trefferchance ist somit 90%, also 9 von 10 Angriffen treffen. Ein Kämpfer macht im Durchschnitt somit 9 Schaden pro Runde.
Das heißt, um die 88 Trefferpunkte auf 0 zu reduzieren, brauchen die 4 Kämpfer zusammen 2,4444 Runden.
Variante 2 – gut gewürfelte Werte:
Die Spielercharaktere treffen theoretisch mit einer 1 … da das aber kritische Fehlschläge sind, treffen sind nur mit einer 2 – ihre Trefferchance ist somit 95%. Ein Kämpfer macht im Schnitt 11,4 Schaden pro Runde (12 * 95%= 11,4). Um die Zombies zu besiegen brauchen die 4 Kämpfer im Schnitt nur noch 1,9298 Runden.
Die Kampfzeit wird „nur noch“ im Durchschnitt um rund 22% reduziert.
Das heißt also, durch gutes Würfeln bei der Charaktererstellung wird ein Kampf im Schnitt um 22-33% kürzer (die Extremwerte in Rüstungsklassen bei Monstern für diese Stufe) und somit auch leichter.
Dann kommen bei gut gewürfelten Attributen noch weitere Effekte hinzu. Ein höherer Konditionswert für Charaktere bedeutet mehr Trefferpunkte, das heißt, sie überleben länger. Ein Bonus von +2 in Kondition anstatt einer +0 bedeutet bei 4 Kämpfern der Stufe 1, dass sie insgesamt 8 Lebenspunkte mehr haben. Eine belebte Rüstung bräuchte also 2 zusätzliche Runden, um die Spieler zu besiegen.
Ein hoher Geschicklichkeitswert bedeutet, dass Charaktere leichter Fallen und Zaubern ausweichen können usw.
D&D 5e geht eigentlich davon aus, dass ein mittelschwerer Kampf 3 Runden geht. Durch die gut gewürfelten Attribute zeigt sich aber, dass die Kämpfe, wenn man sie nach den Regeln des Dungeon Master Guides erstellt, nur noch 2 Runden dauern und damit die Spielercharaktere nicht mehr richtig fordern.
Wie kann man das Problem jetzt lösen?
- Wenn ihr eine neue Kampagne anfangt: Benutzt Point-Buy oder das Standarray und würfelt nicht die Werte aus.
- Mehr Monster. Wenn ihr mitten in einer Kampange seid und nicht die Charaktere neu auswürfeln wollt, könnt ihr mehr Monster hinzufügen. Dazu berechnet einfach die Kämpfe so (bei einer 4 köpfigen Abenteurergruppe), als ob es 5 Abenteurer wären. Das würde z.B. dazu führen, dass sie anstatt gegen 4 gegen 5 Zombies kämpfen, was die Kampfzeit wieder auf rund 2,4 Runden erhöht. Der Kobold-Fight-Club kann dabei helfen: https://kobold.club/fight/#/encounter-builder
- Monster stärker machen. Multipliziert die HP und den Schaden der Monster mit 1,3 oder nehmt stärkere Monster.
Spielt mit den Werten aus den Lösungsvorschlägen von 2 und 3 herum und schaut, ob eure mittelschweren Begegnungen wieder im Durchschnitt auf 3 Kampfrunden kommen.
Zu hohe Attributswerte sind hauptsächlich auf niedrigen Stufen ein Problem. Spätestens ab Stufe 8 geht das Spiel davon aus, dass man im Hauptattribut eine 20 hat. Das heißt, ab Stufe 8 muss man die Schwierigkeit deswegen nicht mehr entsprechend anpassen. Aber hohe gewürfelte Werte sorgen dafür, dass Spielercharaktere z.B. eine höhere Konstitution dann auf Stufe 8 haben oder Talente nehmen, die ihre Kampfkraft erhöhen. Ihr müsst dann schauen, wie sich das entsprechend auf die Kampfbalance auswirkt und entsprechend eure Monster anpassen.
2. Magische Gegenstände
Magische Gegenstände, die Boni im Kampf geben, haben ähnliche Auswirkungen wie zu hohe Attributsboni. Ein Charakter mit 16 Stärke, der einen Zweihandhammer +2 hat, macht genauso viel Schaden, wie ein Charakter mit Stärke 20 und einem normalen Zweihandhammer.
Wenn man magische Gegenstände zu früh an Spieler gibt, kann das die Kampfbalance genauso stören, wie zu hohe Attributswerte.
Wenn man sich an die Regeln im Dungeon Master Guide hält, sollten das eigentlich kein Problem sein. Die sind auch sehr simpel:
Auf den Stufen 1-4 sollten Charaktere nur gewöhnliche und ungewöhnliche magische Gegenstände erhalten. Auf den Stufen 5 bis 10 höchstens seltene, auf den Stufen 11 bis 16 höchstens sehr seltene und ab Stufe 17 höchstens legendäre magische Gegenstände.
Hier eine kleine Übersicht, was das für Waffen und Rüstungen bedeutet:
Stufenminimum | Bonus auf Waffen | Bonus auf Rüstungen |
1+ | +1 | |
5+ | +2 | +1 |
11+ | +3 | +2 |
17+ | +3 mit weiteren Effekten | +3 |
Sollte man in einer laufenden Kampagne sein und den Spielern schon zu viele starke magische Gegenstände gegeben haben, kann man wieder versuchen, die Monster stärker zu machen oder mehr Monster einzusetzen.
3. Ihr benutzt die optionalen Flankieren-Regeln
Auf Seite 251 des Dungeon Master Guides gibt es eine optionale Regelvariante, die ich bisher an jedem Spieltisch gesehen habe: In die Zange nehmen (Flanking). Wenn zwei Kreaturen eine dritte Kreatur von gegenüberliegenden Seiten im Nahkampf angreifen, erhalten sie Vorteil.
Das ist so ziemlich die einfachste Methode, um Vorteil in einem Kampf zu erhalten. In so ziemlich jedem Kampf, der nicht sofort nach einer Runde vorbei ist, versuchen Spieler so Vorteil zu erlangen – und meistens gelingt es. Das liegt auch daran, das D&D 5e so ausgerichtet ist, dass eine Gruppe von Abenteurern im Normalfall gegen ein starkes Monster kämpft (der Schwierigkeitsgrad eines Monsters entspricht dem Gruppenlevel). In 4e war der Standard das eine Gruppe von Abenteurern gegen die gleiche Anzahl an Monstern kämpft.
Wenn man jetzt also diese optionale Regel verwendet, kann es sein, dass die Spieler es zu leicht haben. Denn Vorteil ist ein ziemlicher starker Bonus, der bis zu +5 betragen kann. Andere haben das schon durchgerechnet, wie viel Vorteil an Boni gibt.
Gewünschtes Würfelergebnis | Bonus durch Vorteil |
1 | 0 |
2 | +1 |
3 | +2 |
4-5 | +3 |
6-7 | +4 |
8-14 | +5 |
15-16 | +4 |
17-18 | +3 |
19 | +2 |
20 | +1 |
Das heißt, gerade im Mittelfeld bringt Vorteil extrem viel. Wir haben ja schon gezeigt, das ein +2 Bonus einen Kampfvorteil von 22-33% geben kann. Ein +5 Bonus ist da noch mal extremer. Dabei bringt Vorteil gerade bei den durchschnittlichen Kreaturen mehr, als bei Kreaturen mit einer hohen Rüstungsklasse. Das heißt, dass durch diese optinale Regel gerade die mittelschweren und leichten Kämpfe noch leichter werden. Der Bonus durch Vorteil ist in dem Bereich am stärksten, in dem die meisten Monster ihre Rüstungsklasse haben.
Die Lösung hier ist aber einfach: Man verwendet diese optionale Regel nicht. Am Anfang wird das sicherlich einen Aufschrei bei den Spielern geben, aber diese optinale Regel ist einfach zu stark. Es ist die beste Option, die alle anderen Optionen überschattet.
Warum sollte ich eine Aktion verschwenden, um eine Kreatur auf den Boden zu schmeißen, um Vorteil auf meine Angriffe zu bekommen, wenn ich sie einfach flankieren kann? Warum sollte ich Feenfeuer benutzten, um Vorteil zu bekommen, wenn ich einfach flankieren kann? Warum sollte ich die Hilfsaktion verwenden, um jemanden Vorteil zu verschaffen, wenn ich einfach flankieren kann?
Wenn man die optionale Regel zum In die Zange nehmen verwendet, dann sind alle anderen Möglichkeiten suboptimal, denn im Normalfall ist es im Design von D&D5e vorgesehen, dass man eine Aktion oder eine begrenzte Ressource (z.B. Spellslot) verwenden muss, um Vorteil zu erlangen. Mit dieser optionalen Regel reicht ein bisschen Bewegung aus. Das kann das Spiel sprengen.
4. Die Monster bleiben unter ihrem Potential
Gerade bei unerfahrenen Dungeon Mastern kann es passieren, dass sie in Kämpfen nicht das volle Potential der Kreaturen nutzen. Es ist mir selbst auch schon passiert. Ich habe meine Spieler, als sie Stufe 5 waren, in einen Hinterhalt mit über 25 Goblins laufen lassen, was einem schweren Kampf entsprechen würde, und sie mussten sich nicht mal Mühe geben. Warum? Weil ich die Hauptfähigkeiten der Goblins nicht effizient eingesetzt haben. Ich habe kein einziges Mal ihre Fähigkeit Nimble Escape (flinkes entkommen) eingesetzt, dass es ihnen erlaubt, sich zu als Bonus Aktion zu verstecken oder einen Rückzug zu machen. Dadurch konnten die Spielercharaktere sie viel leichter ausschalten und der Kampf war für sie einfacher, als er eigentlich sein sollte.
Wenn DMs ihre Monster nicht effektiv einsetzen, werden Kämpfe zu einfach. Da gibt es keine einfachen Lösungen für, außer: Schaut euch die Fähigkeiten der Monster und Kreaturen vor dem Kampf an und überlegt euch, wie ihr sie am besten einsetzen könnt. Es gibt eine sehr hilfreiche Seite dazu: The Monsters know what they’re doing. Dort wird analysiert, welches Monster am besten welche Taktik einsetzen würde.
5. Der Abenteuertag wird nicht verwendet
Ihr gebt nicht zu viele starke magische Gegenstände zu früh heraus, ihr habt nicht die Attribute ausgewürfelt, ihr verwendet die Monster taktisch gut und setzt alle ihre Fähigkeiten optimal ein, und trotzdem gewinnen die Spielercharaktere alle Kämpfe mit Leichtigkeit? Selbst tödliche Kämpfe sind kein Problem?
Dann liegt es vermutlich daran, dass ihr euch nicht an den Abenteuertag haltet.
D&D 5e basiert nämlich auf der Annahme, dass eine Abenteurergruppe im Durchschnitt 6 bis 8 Begegnungen hat, bevor sie eine lange Rast einlegen. Als Begegnung zählt dabei alles, was die Ressourcen der Charaktere aufbraucht. Also z.B. Kämpfe und Fallen.
Häufig können die Abenteurer aber in vielen Spielen nach jedem Kampf eine lange Rast einlegen. Spieler machen das gerne, weil das die optimale Strategie ist. Wenn man sich nach jedem Kampf optimal ausruht, werden die Kämpfe leichter …
Das führt dann aber eben dazu, dass die Kämpfe leichter werden und die Abenteurer nicht mehr so gefordert werden, wie es ursprünglich gedacht war. Sie schalten damit einen Teil des Spieldesigns aus.
Denn Dungeons and Dragons ist, wenn es um die Schwierigkeit der Kämpfe geht, ein
Ressourcenmanagment-Spiel
Die Spielercharaktere haben verschiedene Ressourcen, die sie bei kurzen und oder langen Rasten zurückerhalten. Dazu zählen unter anderem Trefferpunkte, Zauberplätze, Gegenstände, begrenzt einsetzbare Fähigkeiten, um nur einige zu nennen. Dazu kommen noch Gegenstände, die man nur einmal verwenden kann und die dann aufgebraucht sind, wie z.B. Heiltränke, die die Spielercharaktere zwischen den Abenteuern dann kaufen müssen.
Abenteurergruppen, die alle Ressourcen haben, die frisch ausgeruht sind, haben keine Probleme, tödliche Begegnungen zu überstehen.
Eine erschöpfte Gruppe, deren Ressourcen aufgebraucht sind, kann Probleme mit einer als einfach eingestuften Begegnung bekommen.
Die Einstufung im Dungeon Master Guide nach einfach, mittel, schwer und tödlich funktioniert also nur, wenn man sich zumindest in groben Zügen an den Abenteuertag hält.
Charaktere der Stufe 1 sollten nach dem DMG ungefähr 6 mittelschwere Begegnungen aushalten, bevor sie eine lange Rast machen müssen, oder 3 tödliche oder 12 einfache. Zwischen zwei langen Rasten sollten sie dabei noch 2 kurze Rasten einlegen. Im DMG gibt es dazu auf den Seiten 82 und 85 die entsprechenden Tabellen.
Doch wer macht das schon?
In all den Abenteuern, in den letzten 4 Jahren, in denen ich bisher selbst einen Charakter gespielt habe, habe ich glaube ich nur zwei Mal eine kurze Rast eingelegt und dann Trefferpunktewürfel verwendet, um meine Trefferpunkte aufzuladen. Sonst war das nie nötig, weil meistens auch gleich eine lange Rast kommen konnte oder ich keinen Schaden abbekommen habe. Und auch als Dungeon Master halte ich mich eher selten an den Abenteuertag, weshalb meine Begegnungen zu einfach wurden. Denn der Dungeon Master Guide sagt zwar, wie der Abenteuertag mechanisch aussehen soll, er gibt aber wenig Hilfe dabei, ihn tatsächlich im Spiel auch umzusetzen. Der Absatz zum Abenteuertag ist im DMG eine Viertelseite lang. Also nicht besonders berauschend.
Das ist tatsächlich ein Design-Problem von D&D 5e: Spieler werden belohnt, wenn sie nach jedem Kampf eine lange Rast einlegen. Es ist die optimale Strategie. Dungeon Master müssen sich also etwas einfallen lassen, damit die Spielercharaktere das nicht tun.
Hier mal unser Beispiel von vorhin mit Abenteuertag und ohne Abenteuertag:
Eine Gruppe von 4 Kämpfern der Stufe 1 mit jeweils 11 Trefferpunkten und Standardverteilung der Attribute.
Wenn diese Abenteurergruppe gegen unsere Belebte Rüstung kämpft, wird diese im Durchschnitt 5 Schaden pro Runde für 2,0625 Runden machen, also wird dieser Kampf den Spielercharakteren 10,3 Schaden machen. Das heißt, ein Spielercharakter ist dann schon ziemlich angeschlagen und müsste eventuell geheilt werden, wenn es schlecht läuft, sogar wiederbelebt werden.
Wenn diese Gruppe jetzt eine lange Rast macht, ist sie wieder bei voller Stärke.
Wenn man jedoch es schafft dem Abenteuertag zu folgen und 6 – 7 mittlere Begegnungen einzubauen, dann sieht das Spiel für die Spieler wie folgt aus:
Mittlere Begegnung 1 | Kampf, ein Spielercharakter verliert 10 Trefferpunkte.Gruppe hat insgesamt noch 34 TP. (1TP, 11 TP, 11 TP, 11 TP) |
Mittlere Begegnung 2 | Kampf oder Falle, ein anderer Spielercharakter verliert 10 Trefferpunkte.Die Gruppe hat noch 24 TP. (1 TP, 1 TP, 11 TP, 11 TP) |
Kurze Rast | Die Spielercharaktere machen einen kurze Rast und erhalten im Durchschnitt je 6,5 TP zurück.Gruppe: 37 TP (8 TP, 7 TP, 11 TP, 11 TP) |
Mittlere Begegnung 3 | Kampf, ein Spielercharakter verliert 10 Trefferpunkte.Gruppe: 27 TP (8 TP, 7 TP, 1 TP, 11 TP) |
Mittlere Begegnung 4 | Kampf oder Falle, ein anderer Spielercharakter verliert 10 Trefferpunkte.Gruppe: 17 TP (8 TP, 7 TP, 1 TP, 1 TP) |
Kurze Rast | Benutzt restliche TrefferpunktewürfelGruppe: 30 TP (8 TP, 7 TP, 8 TP, 7 TP) |
Mittlere Begegnung 5 | Falle die alle mit je 5 Schaden trifft:Gruppe 10 TP (3,2,3,2)Alle Kämpfer benutzen ihr Klassenmerkmal durchschnaufen und erhalten im Schnitt 6,5 TP zurück:Gruppe 36 TP (9, 9, 9, 9) |
Schwere Begegnung 1 (belebte Rüstung + 1 Bandit) | Kampf: Gruppe erhält ~ 7 Schaden die Runde – diesmal rund 20 Schaden in 3 Runden.Gruppe nach Kampf: 16 TP: 7, 9, 0, 02 Kämpfer bewusstlos – werden stabilisiert. |
Lange Rast | Alle Trefferpunkte werden wieder aufgefüllt, Trefferpunktewürfel zurückgegeben und Klassenmerkmale zurückgesetzt. |
Wie man sehen kann, ist eine mittlere Begegnung für unsere Abenteurer kein Prolem, wenn sie danach eine lange Rast einlegen können. 5 Mittlere Begegnungen und eine schwere sind hingegen eine Herausforderung, wenn sie bis dahin keine lange Rast einlegen können.
Die Begegnungs-Regeln im DMG sind so designt, dass eine einzelne Begegnung kein Problem für eine Gruppe von Abenteurern darstellt, sondern das es die Masse der Begegnungen macht. Darum sollte man sich an den Abenteuertag als DM orientieren.
Jetzt muss man nur noch den Abenteuertag in seine Spiele einbauen. Hier sind ein paar Möglichkeiten:
1. Ein Zeitlimit einbauen.
Die Charaktere haben nur X Tage oder X Stunden Zeit, um Artefakt Y zu bergen, sonst geht die Welt unter/der Sohn des Grafen wird hingerichtet oder der Oger, in den sich der Spieler verliebt habt, wird heiraten. Da lange Rasten nur einmal alle 24 Stunden stattfinden können, begrenzt man so die Höchstanzahl der möglichen langen Rasten. So eine harte Grenze sollte man aber nicht zu oft einsetzen, weil es im Endeffekt nichts anderes ist, als, dass der DM sagt: Ihr dürft für dieses Abenteuer nur 2 mal lange Rast machen. Das ist eine Holzhammermethode, die spärlich eingesetzt aber sehr wirkungsvoll sein kann.
2. Die Orte für sicheres Rasten limitieren.
Das funktioniert ähnlich wie ein Zeitlimit – wenn die Spielercharaktere keine Orte haben, an denen sie sich für eine lange Rast zurückziehen können, können sie keine machen. Da muss man aber auch wieder mit Fingerspitzengefühl herangehen. Einfach zu sagen, dass man hier in dem Dungeon nirgendwo rasten kann, kann als Willkür des Dungeon Master herüberkommen. Es muss innerhalb der Erzählung Sinn machen, warum man hier nicht rasten kann. Es ist ein Balanceakt, den man üben muss.
3. Man unterbricht die Rast.
Das ist eine Folge aus 2. Man sorgt für zufällige (oder auch nicht-zufällige) Begegnungen, die die Rast unterbrechen, vor allem dann, wenn die Spielercharaktere an einem Ort übernachten, der nicht sicher ist.
4. Man schickt die Monster in Wellen.
Die Abenteurer sind in einer Krypta gefangen und alle zehn Minuten kommen neue Monster aus ihren Gräber gekrochen, bis der Endboss besiegt ist …
Die Abenteuergruppe muss eine Stadt verteidigen, während eine Horde Orks gegen die Mauer anrennt und sie müssen sich beeilen, um immer wieder Durchbrüche zu verhindern …
Man schafft eine Situation, in der die Gegner so häufig kommen, dass eine lange Rast erstmal nicht möglich ist. Das führt zu einem großen Druck, den die Spielercharaktere und Spieler spüren. Es ist eine Situation, in der es um hohe Einsätze geht. Sowas kann sehr nervenaufreibend für die Spieler und ihre Charaktere sein, vor allem, wenn sie vorher gewohnt waren, immer lange Rasten machen zu können, wann sie wollen.
Aber wenn sie es überstehen, werden sie dafür umso glücklicher sein.
5. Man gibt ein Quest/Auftrag vor, der eine lange Rast nicht zu lässt.
Das kann z.B. eine Verfolgungsjagd sein oder eine Burg/Dungeon/Lager, die man infiltriert. Wenn man jemanden verfolgt und zu früh eine lange Rast macht, kann es passieren, dass man die Spur verliert. Das dann ein Ansporn, nicht sofort eine lange Rast zu machen.
Genauso wenn man ein feindliches Lager infiltriert – man kann sich schlecht mitten zwischen feindliche Truppen schlafen legen. Das fällt auf.
6. Lange Rasten führen zu schwierigeren/mehr Begegnungen
Der Angry GM hat das Problem bei seinem Megadungeon-Projekt angesprochen und auch eine Lösung entwickelt, die sehr elegant ist und vor allem für Dungeons funktioniert.
Wenn die Spielercharaktere aus dem Dungeon hinausgehen, um eine lange Rast zu machen, füllt sich der Dungeon wieder mit Monstern. Räume, die sie befreit haben, werden wieder gefüllt und sie müssen sie wieder leeren. Gleichzeitig wird für solche Encounter weniger XP gegeben. Der Fortschritt, der gemacht wurde, um den Dungeon zu leeren, wurde also wieder rückgängig gemacht.
Das kann man auch auf andere Abenteuer gut anwenden. Die Abenteurer waren dabei, in eine Bank einzubrechen, mussten aber kämpfen und haben sich entschieden, später wieder zu kommen? Die Bank ist jetzt voll mit Wachen!
Man entwirft also eine Mechanik, die Spieler belohnt, die weniger oft eine lange Rast einlegen und Spieler bestraft, die das öfter machen. Nach jedem Kampf eine lange Rast einzulegen ist dann nicht mehr optimal, sondern ineffizient.
7. Die alternativen Regeln zum Rasten aus den Dungeon Master Guide verwenden.
Es gibt Regelvarianten zur Rast im DMG auf S. 267. Wenn man die zu Rauen Realismus verwendet, wird eine kurze Rast auf einmal 8 Stunden lang, eine lange Rast dauert sieben Tage. Das macht es aus Spielgründen wesentlich unwahrscheinlicher, dass Charaktere nach jedem Kampf eine lange Rast einlegen, wenn das Ingame 7 Tage bedeutet.
Man kann eine dieser Sachen oder eine Kombination aus diesen 7 Sachen versuchen, damit der Abenteuertag in eurem Spiel mehr zur Geltung kommt.
Natürlich gibt es noch Möglichkeit 8:
8. Auf den Abenteuertag pfeifen und die Kämpfe schwieriger machen.
Manchmal ist es einfach nicht möglich, den Abenteuertag durchzusetzen. Manchmal macht es einfach keinen Sinn, dass die Spielercharaktere keine lange Rast machen können. Da bleibt einem Dungeon Master nur noch eine Möglichkeit: Die Kämpfe schwieriger machen. Mehr Monster, schwierigere Monster oder die Monster stärker machen sind alles Möglichkeiten. Dabei muss man aber auch durch ausprobieren herausfinden, welche Schwierigkeit wirklich angemessen ist. Wenn abzusehen ist, dass die Charaktere zwischen zwei langen Rasten nur einen Kampf haben, kann man problemlos eine tödlichen Begegnung als Ausgangspunkt nehmen und von da aus sie noch schwerer machen.