Rollenspiel und Charaktermotivation für Anfänger – Wie funktioniert D&D – Teil 5

Dies ist Teil 5 meiner Blog-Reihe “Wie funktioniert Dungeons and Dragons (5te Edition)”. Diese Artikel richten sich an Spieler, die das Spiel noch nicht gespielt haben oder unsicher mit den Regeln sind. Es ist aber auch eine Hilfestellung für Dungeon Master, um ihnen Hilfen an die Hand zu geben, neuen Spielern das Spiel besser erklären zu können und für erfahrene Spieler, um sich die Regeln noch einmal zu vergegenwärtigen.

Im heutigen Artikel soll es um Rollenspiel und Charaktermotivation als wichtigsten Punkt für das Rollenspiel in D&D gehen.

Rollenspiel – was ist das eigentlich?

Dungeons and Dragons ist ein Rollenspiel. Doch was ist Rollenspiel überhaupt?

Im Spielerhandbuch gibt es dazu tatsächlich eine kleine Definition, und zwar auf Seite 185:

Rollenspiel ist buchstäblich das Ausspielen einer Rolle. In diesem Fall bestimmst du als Spieler, wie dein Charakter denkt, handelt und redet. Rollenspielen ist ein Teil jedes Aspekts des Spiels und tritt bei sozialen Interaktionen in den Vordergrund. Eigenarten, Angewohnheiten und Persönlickeitszüge beeinflussen die Art und Weise, wie Interaktionen ausgehen. Es gibt zwei grundlegende Stile, wie du die Rolle deines Charakters spielen kannst: Den beschreibenden Ansatz und den aktiven Ansatz. Die meisten Spieler wenden eine Mischung aus beiden Ansätzen an.

Dann wird noch definiert, was der aktive (du spielst deinen Charakter in der ersten Person und sprichst als der Charakter “Ich gehe zu der Wache und sage: ‘Hallo werte Wache, wie geht es Ihnen'”) und der beschreibende Ansatz (du sagst aus der dritten Person heraus, was der Charakter tut: “Bob geht zur Wache und fragt sie, wie es ihr geht”) sind. Ob man beschreibend oder aktiv spielt, spielt tatsächlich so gut wie keine Rolle. Mit beiden Arten kann man gut D&D spielen und ist hauptsächlich persönliche Präferenz.

Wikipedia definiert es zweimal, einmal für Rollenspiel allgemein und einmal für Pen & Paper Rollenspiele:

Als Rollenspiel (englisch role-playing game, kurz RPG) bezeichnet man in der Spielwissenschaft eine Spielform, bei der die Spielenden die Rollen realer Menschen, fiktiver Figuren, Tiere oder auch Gegenstände übernehmen. Dies können die eigenen Eltern, Lehrer oder Freunde, aber auch Wunschfiguren aus dem Abenteuerbereich, Tiere wie Hunde oder Katzen bzw. Maschinen wie Motorräder oder Flugzeuge sein. Die Spielwissenschaftler Siegbert A. Warwitz und Anita Rudolf beschreiben den Spielgedanken dieser sehr beliebten Spielgattung als „spielend ein anderer sein“.[1]

Das Pen-&-Paper-Rollenspiel (engl.penStift“ und paperPapier“) ist ein Spiel, bei dem die Mitwirkenden fiktive Rollen einnehmen und gemeinsam durch Erzählen ein Abenteuer erleben.

Rollenspiel bedeutet also, dass man eine Rolle einnimmt. Doch wie macht man das? Tut man so, als ob man jemand anderes wäre? Ja und Nein. Es ist ein Missverständnis oder eine Fehlannahme, wenn man davon ausgeht, dass es einem Menschen möglich ist, jemand komplett anderes zu sein und Entscheidungen als dieser jemand anderes zu treffen. Warum? Weil man sein eigenes Selbst nicht ausschalten kann. Du kannst nicht zu 100 % so tun, als ob du jemand anderes bist. Alle deine Entscheidungen werden immer noch von deinen Erfahrungen, Erlebnissen, Ansichten, Ideen usw. bestimmt. Deine Persönlichkeit/dein Geist/dein Gehirn bestimmt am Ende immer noch, welche Entscheidungen dein Charakter trifft.

Der Angry DM hat es auf seiner Seite schön beschrieben:

Besides, to think like another person would require you to hold an infinite set of memories, experiences, beliefs, priorities, natures, and so on in your head. Perfectly. Because all of that s$&% figures into every decision you make, no matter how simple. And, guess what? You can’t do that.Role-playing’s thus not really about pretending to be someone else. It’s about making the choices you would make in a given situation if you were a certain character. Role-playing is saying, “okay, so, this dragon is descending on the town. What would I do in this situation if I was a bada$& barbarian dude from the hill tribes in some fantasy world?” The question’s not “what would Angrar do?” It’s “what would I do if I were Angrar?” It’s a subtle distinction, but super important.The character you play is always “you, but…”

Rollenspiel ist nicht, so zu tun, als ob man jemand anderes sei, sondern es geht darum, Entscheidungen zu treffen, die man machen würde, wenn man in einer bestimmten Situation, in einer bestimmten Rolle wäre.

Rollenspiel ist also nicht: “Was würde Bob der Barbar tun, wenn ein Drachen das Dorf Dümmerich angreift”, sondern “Was würde ich tun, wenn ich ein Barbar wäre und ein Drache das Dorf Dümmerich angreift.”

Der Unterschied mag einem jetzt nicht besonders groß erscheinen, aber in der Praxis kann es einem das Rollenspiel viel einfacher machen. Denn im ersten Fall müsstest du versuchen, alle Erfahrungen, alle Erlebnisse, alles, was Bob der Barbar denkt, versuchen zu berücksichtigen, um dann eine Entscheidung zu treffen, die Bob machen würde. Das ist aber unmöglich. Wenn du jedoch denkst, was würde ich machen, wenn ich diese Kräfte hätte und in dieser Situation wäre … dann kommt die Antwort viel schneller aus dir heraus, sie ist einfacher zu finden.

Darum spielen auch viele bekannte Schauspieler in z.B. Hollywood-Filmen immer sich selbst. Ich mein, kennt ihr das? Tom Cruise, Dwayne the Rock Johnson, Robert Downey Jr., Brad Pitt, Gwyneth Paltrow usw. – immer wenn man sie in Filmen sieht, hat man das Gefühl, dass sie sich selbst spielen, dass sie immer das Gleiche sind. Das liegt daran, dass in den USA hauptsächlich Method Acting betrieben wird. Method Acting ist eine Variante der Schauspielerei, bei der man mit den eigenen Erinnerungen und Erlebnissen sein Schauspiel füttert, genauso, wie man es beim Rollenspiel machen sollte. Schauspieler, die kein Method Acting betreiben, wirken hölzern, das Schauspiel nicht echt und die Texte wie vorgelesen (ich weiß das selbst, ich hab in der Schule Theater gespielt und wow, haben wir kein Method Acting betrieben :D).

Also, wenn du mit deinem Rollenspiel Probleme hast, dann besinne dich auf das Grundlegende für dein Rollenspiel:

Was würde ich in Situation X tun, wenn ich Y wäre?

  • Was würde ich tun, wenn eine Armee von Untoten droht, die Stadt anzugreifen, während wir gerade dabei sind, die Schatzkammer auszurauben und ich ein Schurke wäre?
  • Was würde ich tun, wenn ein Dämon Waisenkinder angreift und ich ein Magier wäre?
  • Was würde ich tun, wenn ich ein Polizist wäre und die Demonstranten rennen auf mich zu?

Deine Rolle und deine Motivation

Wir haben jetzt also gelernt, wie man grundsätzlich simpel Rollen spielt. Jetzt müssen wir das auf D&D anwenden.

Anfängern würde ich empfehlen, es so simpel wie möglich zu halten. Man muss zwei Sachen machen:

  • Bestimme die Rolle deines Charakters.
  • Bestimmte die Motivation deines Charakters.

Die Rolle ist relativ einfach, in D&D: Ein Teil deiner Rolle ist deine Klasse. Du bist ein Magier, Kämpfer, Schurke oder Barbar. Aber das ist noch zu wenig, es ist zu trocken, es ist rein mechanisch. Füge noch ein bestimmendes Wort hinzu. Du bist nicht nur Magier, sondern ein erforschender Magier. Du bist nicht nur Schurke, sondern ein Schurke mit einem Herz aus Gold. Du bist nicht nur ein Barbar, sondern ein hinterlistiger Barbar. Das reicht für den Anfang für deinen Charakter vollkommen aus. Und für den Anfang sollte das auch DMs ausreichen. Man braucht keine 12-Seiten Hintergrundgeschichte mit Stammbäumen und tragischen Kindheitsgeschichten, zumindest nicht, wenn man anfängt und die ersten Male spielt.

Die Motivation sollte auch einfach sein. Beschreibe in einem Wort oder höchstens einen Satz, was deinen Charakter motiviert, auf Abenteuer zu gehen. Wenn du sonst nichts hast, mach diese eine Sache. Schreibe deine Motivation auf. Und es sollte es eine Motivation sein, die gut für Abenteuer ist.

Wenn die Motivation fehlt oder unklar ist, ist es sehr schwer, einen Charakter zu spielen. Mir ist das zweimal passiert. Einmal, mein allererster D&D Charakter, da war die Motivation nicht abenteuerfreundlich. Paya war eine Klerikerin. Sie wurde aus Versehen Klerikerin, weil sie als Scharlatanin versucht hat, einen Tempel von Sharess zu beklauen, während eine Auswahlzeremonie für neue Priester*innen stattfand – und die Göttin hat sie ausgewählt und sie hatte die Wahl, entweder auffliegen oder mitspielen. Und darum ist sie jetzt als Klerikerin im Namen Sharess unterwegs … und merkt ihr was? Die ganze Hintergrundgeschichte, die ich mir für Paya ausgedacht hat, hat nicht wirklich dazu geführt, dass sie super motiviert ist, Abenteuer zu erleben. Das wurde während der Kampagne, die wir gespielt haben (Lost Mines of Phandelvar), immer offensichtlicher. Das ging dann sogar so weit, dass sie in einem wichtigen, so gut wie verlorenen Kampf beinahe abgehauen wäre, wenn nicht ein anderer Charakter den Kampf mit viel Gold beendet hätte. Ich merkte als Spieler, dass Paya da Probleme hatte, weshalb ich mit dem DM ausgemacht hatte, sie, wenn es in der Kampagne passt, gegen einen anderen Charakter auszutauschen: Tas’Ha, eine Magierin, die keine Lust darauf hatte, eine gute Edelfrau zu sein, zu heiraten wie es ihre Eltern wollten und die viel lieber auf Abenteuer gehen wollte. Die hatte keine Probleme mehr, im weiteren Verlauf der Kampagne mitzumachen und die Minen zu gehen.  Die Motivation für Tas’Ha war einfach und klar: Abenteuerlust. Sie will Abenteuer erleben. Was würde ich tun, wenn ich eine abenteuerlustige Magierin wäre? Das beantwortet sich wie von selbst.

Mein anderer Charakter, wo ich ein Problem mit der Motivation hatte, war Kiela Deth. Sie ist eine Hexenmeisterin, die sich als Bardin ausgibt, weil es ihr peinlich ist, dass sie ein Einhorn als Patron hat. Sie wollte eigentlich einen Pakt mit einem Teufel oder Dämon eingehen, aber das Einhorn hat sie ausgetrickst. Das war ihr so peinlich, dass sie sogar von der Bardenschule abgehauen ist, weil sie nicht ertragen konnte, dass die anderen von ihrer Schande wissen … und als der DM dann gefragt hat, was Kiela Deth denn so in der Zukunft will, war ich erstmal sprachlos. Ich hatte mir so eine schöne Backstory ausgedacht, so schön ihre Hintergrundgeschichte ausgearbeitet, dass ich die Zukunft komplett vergessen hatte. Was will Kiela Deth jetzt? Ich hatte darauf erstmal keine Antwort. Nun, anstatt den Charakter jetzt auszutauschen, habe ich mir einfach eine Motivation gewählt, die passt: Sie will mehr Macht. Sie will mächtig werden, sodass es niemand wagt, sich über sie lustig zu machen. Was würde ich tun, wenn ich eine nach Macht strebende Hexenmeisterin wäre?

Die beste, ausgefallenste Backstory nützt nichts, wenn sie nicht in einer Motivation für deinen Charakter endet, Abenteuer erleben zu wollen. Wenn dein Charakter so eine Motivation hat, werden es dir dein DM und deine ganze Gruppe danken, denn nichts ist schlimmer, als unmotivierte Charaktere, bei denen eigentlich nicht klar ist, warum sie überhaupt dabei sind und nicht schon längst abgehauen sind.

Gute Motivationen sind unter anderem:

  • Abenteuerlust
  • Ruhm erlangen
  • Pflichtgefühl gegenüber der Stadt / Reich / Volk …
  • Wissen erlangen
  • Rache
  • Welt entdecken
  • ein Edles anliegen
  • Ich brauche sehr schnell, sehr viel Geld

Du hast jetzt also eine Rolle und eine Motivation.

Schreib die beiden Sachen auf, z.B. auf eine Karteikarte und wenn du Probleme beim Rollenspiel hast, schau sie dir an.

Wenn ich bin eine unsichere Hexenmeisterin, die nach Macht strebt, wäre … was würde ich in dieser Situation tun?

Wenn ich eine kampflustige Magierin mit Abenteuerlust wäre … was würde ich in dieser Situation tun?

Und dann mach das Erste, was dir in den Kopf schießt.

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A.B. Funings Blog