Es gibt keine Skill-Checks und warum Spieler nicht danach fragen sollten – Das Design von Dungeons and Dragons 5e #3

In dieser Artikelreihe wollen wir uns näher mit der Designphilosophie der 5ten Edition von Dungeons and Dragons auseinandersetzen. Sie richtet sich vor allem an Dungeon Master, die durch ein besseres Verständnis der Designentscheidungen von D&D ihr Spiel verbessern können. Sie ist aber natürlich auch für Spieler interessant, die mehr über das Spiel lernen wollen. Und gerade dieser Artikel richtet sich auch an Spieler.

Dieser Artikel beschäftigt sich mit drei Sachen:

  • Warum es keine Fertigkeits-/Skillwürfe gibt,
  • Warum Spieler nicht fragen sollten, würfeln zu dürfen (schon gar keine Skillchecks) und
  • Wann man überhaupt würfeln sollte.

Es gibt keine Fertigkeitswürfe

Das mag jetzt überraschend klingen, weil auf den Charakterbögen doch eindeutig Fertigkeiten darauf stehen und auch, welchen Bonus diese geben. Aber die 5te Edition von D&D kennt zur Auflösung von einer Situation eigentlich nur drei Würfe: Attributswürfe, Angriffswürfe und Rettungswürfe. Diese bestimmen, ob ein Effekt eintritt, ein Angriff gelingt oder ob eine Aktion erfolgreich verläuft. Und diese funktionieren alle nach dem gleichen Schema: Man würfelt einen 20-seitigen Würfel (W20), addiert den Attributsbonus und gegebenenfalls noch einen Übungsbonus obendrauf. Die 5te Edition von D&D hat mit diesem W20-Wurf eine universelle Mechanik, mit der alle Spielsituationen aufgelöst werden.

Die 5te Edition grenzt sich damit z.B. von der 3.5ten und älteren Editionen ab. In den älteren Editionen gab es eine Vielzahl unterschiedlicher Mechaniken für unterschiedliche Spielbereiche, die mit unterschiedlichen Würfeln und unterschiedlichen Werten hantierten, wo man Skillpunkte verteilen konnte usw. usf. – Allein auf dem Charakterbogen für 3.5e sind 45 verschiedene Fertigkeiten eintragbar! Wenn man von der 5ten Edition kommt, wird man förmlich erschlagen und sieht da nicht wirklich durch. 5e hat das Design vereinfacht und stromlinienförmiger gemacht, weshalb es zur Auflösung von Situationen nur noch die drei Arten von Würfen gibt (Attributs-, Angriffs- und Rettungswürfe), die alle gleich funktionieren.

5e geht auch davon aus, dass außerhalb von Kämpfen, der Attributswurf ohne zusätzlichen Übungsbonus der Standardwurf ist, um Aktionen und Situationen aufzulösen. D&D 5e würde tatsächlich auch so funktionieren – wenn es keine Fertigkeiten gäbe, könnte man trotzdem alles, was ein Spielercharakter machen will, mit Attributswürfen auflösen. Er will schleichen? Er macht einen Geschicklichkeitswurf. Sie will jemanden überzeugen? Charismawurf usw.usf.

Dass man jetzt seinen Übungsbonus dazu addieren kann, wenn man in einer bestimmten Fertigkeit (oder mit einem bestimmtem Werkzeug) geübt ist, ist eine spezielle Regel, ein Sonderfall. Auf S. 174 im Spielerhandbuch steht es so drin: „Manchmal wird der SL nach einem Attributswurf mit einer bestimmten Fertigkeit verlangen, wie beispielsweise: ‚Lege einen Attributswurf auf Wahrnehmung ab.'“ Manchmal. Das Spielerhandbuch geht davon aus, dass der Attributswurf mit einer bestimmten Fertigkeit die Ausnahme ist und der Attributswurf ohne bestimmte Fertigkeit die Regel. Jetzt habe ich aber an vielen Tischen gesehen, an denen ich Spiele, aber auch an denen ich selbst DMe, dass der Attributswurf mit Fertigkeitsbonus eher die Regel ist. Sehr, sehr selten werden einfache Attributswürfe verwendet.

Jetzt kann man natürlich sagen, Fertigkeitswürfe sind eine Untergruppe der Attributswürfe – und so werden sie an vielen Tischen auch verwendet – aber es verändert das Spiel, es verändert die Grundidee hinter dem Design der 5ten Edition und ist laut den ursprünglichen Regeln auch nicht so gedacht.

Laut den Regeln ist das ein Attributswurf. Deshalb steht das in den Abenteuern auch immer so da: Mache einen Geschicklichkeitswurf (Fingerfertigkeit). Der Spieler soll einen Attributswurf auf Geschicklichkeit anwenden und wenn er in Fingerfertigkeit geübt ist, darf er seinen Übungsbonus noch dazuaddieren.

Die Idee von 5e ist, dass immer dann, wenn ein Spieler eine Aktion versucht  (die kein Angriff ist), der DM entscheidet, unter welches Attribut diese Aktion fällt und dann den entsprechenden Wurf würfeln lässt. Das ist eine universelle Mechanik, die alles abdecken kann, was ein Spieler sich ausdenken könnte, was sein Charakter versucht.

Wenn jetzt aber Spieler und DMs in der Regel nicht Attributswürfe, sondern Fertigkeitswürfe verwenden, engen sie das Spiel ein. Man merkt es nicht mal, wenn man nicht darauf aufmerksam gemacht wird, aber es passiert: Man verwendet die Fertigkeiten dann mehr wie Knöpfe, um Aktionen aufzulösen. Anstatt in die Rolle des Charakters zu schlüpfen, sich zu denken, was dieser jetzt machen würde, wird auf die Fertigkeiten geschaut und dann versucht, die Fertigkeit zu verwenden, die den größten Bonus gibt. Mit einer +10 auf Einschüchtern sieht alles wie etwas aus, das man einschüchtern will …

Wenn in euren Spielen mehr „Fertigkeitswürfe“ als Attributswürfe verwendet werden, beobachtet mal eure Tische: Ihre werdet sehen, dass die Spieler vermehrt Aktionen machen, die sehr dicht an den Fertigkeiten sind, in denen sie geübt sind. Sie sehen diese Liste der Fertigkeiten und verengen ihre Optionen darauf. Das ist leider reine Psychologie. Allein die Existenz der Liste mit Fertigkeiten sorgt dafür, dass die Spieler mehr in Kategorien wie Schleichen, Einschüchtern, Motiv erkennen ect. pp. denken. Das heißt, sie werden weniger Aktionen tätigen, die nicht einer Fertigkeit entsprechen. Das sind alles unterbewusste Abläufe.

Das heißt also: Egal ob man jetzt über die Definition der Existenz von Fertigkeitswürfen streiten kann oder nicht, wenn die Spieler und DMs von der Annahme ausgehen, das die Existenz von Fertigkeitswürfen beabsichtigt sind, diese also per Spieldesign wichtig sind, schränkt sie das am Ende in ihrem Spiel ein. Das Spiel wird dann mehr zu einem Computerspiel, wo man die Knöpfe für Schleichen, Täuschen oder Athletik drückt, anstatt ein Rollenspiel, in dem alles möglich ist.

Damit das nicht passiert, sollten sich Spieler und DMs klarmachen: Es gibt keine Skill-Checks.

Spieler: Bitte fragt nicht, ob ihr würfeln dürft und würfelt schon gar nicht ungefragt

Und das führt mich zu dem zweiten Teil dieses Artikels: Spieler sollten nicht fragen, ob sie Würfe machen dürfen (und schon gar nicht würfeln, bevor der DM sagt, dass sie würfeln sollen).

Denn wie funktioniert das Spiel? Ich hatte es in meinem allerersten Artikel erklärt:

Der DM beschreibt eine Situation, die Spieler sagen, was ihre Charaktere in dieser Situation machen und der DM entscheidet, wie die Aktionen der Charaktere aufgelöst werden.

Wenn Spieler also nach Würfen fragen, nehmen sie dem DM den Job weg. Der DM entscheidet, ob überhaupt gewürfelt werden muss. Wenn man Pech hat, fragt man nach einem Wurf, der unnötig ist – aber sobald die Würfel rollen, kann auch etwas schiefgehen und dann steckt man im Schlamassel, weil man eine 1 gewürfelt hat und der DM sich jetzt was Fieses ausdenkt. Und zu Würfeln ohne zu fragen ist einfach unhöflich und gehört sich nicht. Wenn ihr Glück habt, ignorieren nette DMs solche nicht verlangten Würfe einfach.

Aber auch Spielmechanisch hat das Auswirkungen: Es verschärft die Problematik des Verwendens der Fertigkeiten zulasten aller anderen Optionen. Zu 99% werden Spieler nur nach Würfen fragen, auf die sie den höchstmöglichen Bonus haben. Also Attributswürfe, in denen sie geübt sind oder Expertise haben. so gut wie kein Spieler wird nach einem Wurf in einem Attribut fragen, in dem sie einen negativen Bonus haben und in dem sie keine Fertigkeitsübungen haben. Es verstärkt den Effekt des „Computerspiels“. Der Spieler versucht die „Überzeugen“-Taste zu drücken, um einen positiven Effekt zu erzeugen. Gerade neue Spieler, die vorher nur Computerspiele gespielt haben, neigen dazu, so zu denken, aber auch Leute, die schon länger spielen, können dazu neigen. Es ist ein Mindframe, der verstärkt wird. Ich mein, ich habe auch schon nach „Fertigkeitswürfen“ gefragt, vor allem in meiner Anfangszeit.

Wir sehen also, dass die Idee, dass Fertigkeitswürfe existieren, Spieler stärker dazu verleitet, nach Fertigkeitswürfen zu verlangen. Wenn man aber davon ausgeht, dass Fertigkeitswürfe nicht existieren, fragen Spieler auch nicht danach. Und sie werden sicherlich viel seltener nach Attributswürfen fragen.

Also: Wenn Spieler fragen, ob sie einen bestimmten Wurf machen dürfen, greifen sie erstens dem Job des DMs vor und zweitens verstärken sie den Mindset, dass sie hier eine Art Computerspiel spielen, dass die Optionen auf die Fertigkeiten begrenzt sind und damit sich selbst einschränken und der unbegrenzten Möglichkeiten berauben, die so ein Rollenspiel wie D&D überhaupt bietet.

Also liebe Spieler: Fragt nicht, ob ihr würfeln dürft (und würfelt schon gar nicht vorher), sondern beschreibt, was euer Charakter macht und der DM wird euch dann sagen, ob das erfolgreich ist oder ob ihr etwas bestimmtes Würfeln müsst, um eure Aktion aufzulösen.

Wann sollte man überhaupt würfeln?

Dieser Teil ist jetzt wieder mehr für DMs. Wann sollte man würfeln?

Man sollte nur dann würfeln, wenn:

  • die Aktion eine Chance hat, geschafft zu werden.
  • die Aktion fehlschlagen kann.
  • es Konsequenzen für den Fehlschlag gibt.

Wenn ein Charakter etwas versucht, was unmöglich ist, z. B. zum Mond zu springen oder den Drachen zu verführen, dann solltest du als DM nicht würfeln lassen. Denn entweder rollt der Spieler eine natürliche 20 und ist dann enttäuscht, wenn es nicht klappt oder er schafft es mit einem niedrigeren Wurf auch nicht. Wenn die Würfel rollen, weckt dies Erwartungen, dass es möglich ist, es zu schaffen. Wenn also eine Aktion unmöglich ist, sag es den Spielern.

„Du springst mit aller Kraft und schaffst es, 15 Fuß (4,5 m) hochzuspringen, bis zum Mond fehlen dir noch 300 000 Kilometer.“

„Der Drache lacht dich aus und frisst dich.“

Eine Aktion muss fehlschlagen können. Und zwar auf realistische Weise. Wir lassen Spieler nicht würfeln, wenn sie einfach nur laufen, nur weil sie stolpern könnten und es eine Chance von 1 zu einer Million gibt, dass er einfach so hinfallen könnte. Wir lassen ihn nicht würfeln, um eine unverschlossene Tür zu öffnen, Brot zu essen oder um das Schwarze Brett im Dorf zu lesen. Es verbraucht einfach Zeit. Wirklich, wenn es nur eine kleine Chance auf einen Fehlschlag gibt, lasst es lieber sein.

Ein Fehlschlag muss Konsequenzen haben. Wenn ein Attributswurf misslingt, muss das Konsequenzen haben. Aller mindestens muss es dafür sorgen, dass man den Attributswurf nicht so einfach wiederholen kann. Wenn der Schurke zehnmal hintereinander probieren kann, ob er die Tür aufknacken kann, dann muss man den Spieler nicht würfeln lassen. Wenn jeder Fehlschlag aber z. B. dafür sorgt, dass das Risiko entdeckt zu werden, steigt, kann man den Schurken die Aktion wiederholen lassen. Aber wenn es kein Risiko gibt, wenn er sich all die Zeit der Welt nehmen kann, um die Aktion so oft zu wiederholen, bis sie gelingt, dann muss man keine Würfe machen lassen.

Und als letzter Tipp noch:

Lasst so wenig wie möglich würfeln. 3 Checks, um sich im Wald nicht zu verlaufen oder eine Spur nicht zu verlieren? Wenn die Checks nicht interessante Konsequenzen haben, reicht meistens ein Wurf aus. Wenn ihr im Zweifel seid, ob ihr würfeln solltet, lasst die Würfel weg. Das kann dem Spiel guttun. Probiert es einfach mal aus.

A.B. Funing

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