Schubertus der Schurke stand entnervt hinter Karlinius. Vergeblich hatte der Geistliche versucht, den Alchemisten dazu zu bewegen, den Preis für die Heiltränke zu senken. Die Verhandlung schien sich in einem endlosen Kreis zu drehen, und Schubertus‘ Geduld war am Ende.
„Jetzt reicht es mir“, rief Schubertus. Er stürmte auf den Alchemisten zu, zog seinen Dolch und setzte ihn ihm an die Kehle.
„Gib uns die verdammten Tränke, bevor ich sie dir mit Gewalt nehme“, zischte er.
„Oh nein, das hättet ihr nicht tun sollen …“, murmelte der Alchemist, und seine Stimme klang wie das raue Schleifen von Sandpapier auf Stein. Seine Augen begannen zu leuchten. Das Gesicht des Alchemisten verzerrte sich zu einer grotesken Fratze des Schmerzes. Seine Haut begann zu reißen, sich zu winden und zu krümmen. Der Körper des Alchemisten wand sich in einem unwirklichen Tanz der Verzerrung. Kleider zerrissen, Haut platzte auf, und etwas Uraltes und Unwirkliches drang aus den Knochen des Menschen.
Schubertus wich zurück, sein Herz pochte wild in seiner Brust, als das Grauen Gestalt annahm. Kein Mensch stand mehr vor ihnen…
„Das hast du wirklich gut gemacht Schubertus, jetzt müssen wir gegen einen Golem kämpfen…“, seufzte Karlinius.
„Würfelt jetzt bitte alle Initiative!“
Was ist ein Spielmodus und warum interessiert uns das für D&D?
Spielmodus
Ein Spielmodus oder Gameplay-Modus ist ein konkretes Zusammenspiel zwischen der Wahrnehmung der Spielwelt durch den Spieler (Wahrnehmung), den Möglichkeiten, die Spielwelt zu beeinflussen (Interaktion) und dem Zusammenspiel von Regeln und Mechaniken – dem Spielablauf selbst -, das ein bestimmtes Spielgefühl, eine bestimmte Spielerfahrung erzeugt.
Ein Spiel kann aus einem oder mehreren Spielmodi bestehen.
Zur Veranschaulichung einige Beispiele.
Tetris
Tetris hat einen Spielmodus.
- Wahrnehmung: Der Spieler sieht das gesamte Spielfeld.
- Interaktion: Der Spieler kann die fallenden Blöcke mit der Tastatur oder einem Steuerkreuz steuern.
- Spielablauf: Die Blöcke werden vom Spieler gestapelt – wenn es ihm gelingt, bildschirmfüllende Reihen zu stapeln, verschwinden die Blöcke, andernfalls stapeln sich die Blöcke immer weiter. Wenn kein Platz mehr für weitere Blöcke ist, hat der Spieler verloren.
Pokémon
Pokémon besteht aus mehreren Spielmodi, bei denen wir uns einfach zwei anschauen:
- Wahrnehmung:
- Lauf-Modus: Die nähere Umgebung wird aus der Third-Person-Perspektive dargestellt.
- Kampfmodus: Man befindet sich in einer Kampfumgebung, in der man eigentlich nur die beiden kämpfenden Pokémon und die Trainer sieht.
- Interaktion:
- Lauf-Modus: Der Spieler kann mit dem Steuerkreuz steuern, wohin sein Avatar läuft und mit anderen Tasten Aktionen auslösen.
- Kampfmodus: Hier kann der Spieler Kampfaktionen, Itemaktionen, Pokémontauschaktionen oder (je nach Kampftyp) Fluchtaktionen ausführen.
- Spielverlauf:
- Lauf-Modus: Der Spieler läuft herum und erkundet die Spielwelt. Er kann selbst Ereignisse auslösen oder es werden zufällige Begegnungen (z.B. mit wilden Pokémon) ausgelöst.
- Kampfmodus: Der Spieler und sein NPC-Gegner lösen im Kampf abwechselnd Aktionen aus, bis eine Endbedingung (Sieg, Niederlage, Pokémon gefangen, Flucht) eingetreten ist.
Warum gibt es unterschiedliche Spielmodi?
Unterschiedliche Spielmodi können einem Spiel mehr Spielerlebnisse geben. Wenn man Tetris spielt, gibt es genau ein Spielerlebnis, eine Spielerfahrung: Blöcke, die nach unten fallen, zu kontrollieren und zu versuchen, Reihen zu bilden.
Bei Pokémon gibt es mehrere Spielerlebnisse: Neue Pokémon entdecken und fangen, eigene Pokémon verstärken, neue Orte finden, die Geschichte erleben, reich werden …
Richtig eingesetzt, können verschiedene Spielmodi also bestimmte Spielerlebnisse erzeugen und ein Spiel bereichern und abwechslungsreicher machen. Dabei können die Übergänge zwischen den einzelnen Spielmodi abrupt sein, wie z.B. der Battlescreen bei Pokémon, wo sofort klar ist: Jetzt wird gekämpft, die Übergänge können aber auch fließend sein, wie z.B. bei Zelda, wo man herumläuft und dann plötzlich aus der gleichen Perspektive kämpft.
Wenn wir uns erfolgreiche RPGs anschauen, bieten sie viele verschiedene Spielmodi an:
Skyrim zum Beispiel hat unter anderem folgende Spielmodi:
- Welt erkunden
- Kämpfen
- Schmieden
- Schlösser knacken
- Charakter verbessern (Charakterbogen)
- Handeln
- Sprechen
Was hat das ganze jetzt mit D&D zu tun und warum sollte mich das interessieren?
Das Denken in Spielmodi kann einem als Dungeon Master helfen, bestimmte Aspekte des Spiels zu verbessern. Wenn man sich die Regeln der 5. Edition von Dungeons & Dragons ansieht, kann man direkt zwei verschiedene Spielmodi erkennen:
- Den normalen Modus
- Kampf
1. Normaler Modus / Frei-Spiel-Modus
In D&D (und vielen anderen TTRPGs) sieht der grundlegende Spielmodus wie folgt aus:
- Wahrnehmung: Der DM beschreibt, was die Spielercharaktere wahrnehmen.
- Interaktion: Die Spieler entscheiden, was ihre Charaktere in der Spielwelt tun.
- Spielverlauf: Der DM beschreibt die Situation, die Spieler sagen, was ihre Charaktere in dieser Situation tun, der DM entscheidet, welche Auswirkungen diese Aktionen haben und beschreibt dann die neu entstandene Situation.
So funktioniert das ganze Spiel und es basiert auf dem Hauptmechanismus, der es der Spielleitung erlaubt, alle Aktionen, die die Spieler machen können, aufzulösen: Wenn die Auswirkung der Aktion ungewiss ist und die Aktion positive oder negative Folgen haben kann, dann macht man einen Attributswurf, addiert Attributsboni und gegebenenfalls Übungsboni, gibt weitere Boni und vergleicht diese mit einer Zielzahl.
So funktioniert das ganze Spiel – das ist der Hauptspielmodus in D&D und ich nenne ihn der Einfachheit halber „Freies Spiel“.
2. Kampf
Daneben gibt es in Dungeons & Dragons 5E noch einen weiteren expliziten Spielmodus: den Kampf.
„Initiative würfeln“ ist der Pokémon-Kampfbildschirm von D&D. Das ist die explizite Ankündigung, dass wir den Spielmodus wechseln. Die freie Spielform ist vorbei und wir befinden uns nun im starren Korsett der Kampfregeln, in denen klar geregelt ist, wer (Spielercharakter, NPC oder Monster) was (Aktion, Bonusaktion, Reaktion, freie Aktion, Bewegung) wann (Initiative-Reihenfolge) machen darf.
Während die Grundmechanik eigentlich gleich bleibt (Angriffswürfe sind Attributswürfe), gibt es im Kampf plötzlich eine ganze Reihe weiterer Regeln, die das gesamte Spielgefühl verändern.
Und es gibt diesen zusätzlichen Kampfmodus, weil das Kämpfen so viel einfacher wird. Durch die Klarheit der Kampfregeln und der Kampfstruktur hat der Dungeon Master am Ende tatsächlich viel weniger Arbeit. Er muss nicht bei jedem Angriff einzeln entscheiden, wie er aufgelöst wird, er muss nicht die Reihenfolge entscheiden oder wie viel ein Spieler machen darf, bevor ein anderer Spieler, ein Monster oder ein NSC an der Reihe ist, sondern er kann sich im Grunde darauf konzentrieren, die Monster zu spielen. Der Kampfmodus in D&D ist mehr wie eine Schachpartie, auf der einen Seite hat der Spielleiter seine NPCs und Monster und auf der anderen Seite haben die Spieler ihre Spielercharaktere (und ggf. Gefolgsleute, NPCs, Haustiere …). Kämpfe werden dadurch tatsächlich einfacher und können taktisch werden, da jeder im Grunde weiß, was der andere kann – wie beim Schach. Spieler und Spielleiter können auch lernen, wie sie im Kampf besser werden können. Man kann seine Spielerfähigkeiten verbessern.
Ohne den Kampfmodus müssten die Kämpfe im „Freien Spiel“ gelöst werden und jeder Spielleiter und jeder Spieler würde dies anders machen.
Die zusätzliche Komplexität des Kampfmodus macht das Spiel tatsächlich einfacher zu spielen, da er dem Spiel Struktur und Grenzen gibt und einige Dinge definiert (Kampfaktionen, Initiativreihenfolge), die es im freien Spiel nicht gibt.
Nur 2 Modi?
Hat 5E im Prinzip nur zwei Spielmodi?
Nein, es gibt im Prinzip noch einen: Soziale Interaktion.
Soziale Interaktion kann sich im Spielablauf vom freien Spiel unterscheiden, auch wenn der Unterschied nur graduell ist. Das Sprechen aus der Sicht des Charakters unterscheidet sich genug vom Rest des freien Spiels, dass man es als weiteren Spielmodus betrachten könnte.
Grundsätzlich ist es aber möglich, den gesamten Rest des Spiels im Freien Spiel zu spielen – die Grundmechanik des Freien Spiels ist dafür flexibel genug.
Brauchen wir also mehr Modi?
Mehr Spielmodi für alle!
Ja, vor allem neue DMs fragen oft, wie man bestimmte Dinge im Spiel löst. Wie funktioniert Schleichen? Wildnis erforschen? Dungeon-Erkundung? Soziale Interaktionen? Magische Gegenstände herstellen? Downtime-Aktivitäten?
Und erfahrene Spielleiter kommen dann oft mit Hinweisen, wie man so etwas lösen kann, indem sie entweder erklären, wie man die Regeln, die z.B. im DMG oder im Spielerhandbuch stehen, anwenden kann, oder indem sie Homebrew-Regeln erklären – aber letztlich oft auch neue Spielmodi entwerfen oder beschreiben.
WotC hat z.B. mit dem Wilderness Kit selbst einen Wildnis-Erforschungsspielmodus geschaffen.
Weitere Spielmodi, die diese Bereiche stärken und dort das Spielerlebnis verbessern, würden der 5e insgesamt sehr gut tun.
Sofortmaßnahme für Dungeon Master
Das Denken in Spielmodi kann Dungeon Masters helfen, ihr Spiel zu verbessern, indem sie bestimmte Aspekte des Abenteuers gezielter gestalten. Indem sie ihre Spiele in verschiedene Spielmodi aufteilen, können Spielleiter den Schwerpunkt auf bestimmte Aktivitäten legen und so die Spielerfahrung intensivieren. Durch den bewussten Einsatz verschiedener Spielmodi können DMs auch komplexere oder bisher unbefriedigende Bereiche des Spiels angehen und verbessern. Darüber hinaus erleichtert das Denken in Spielmodi die Organisation und Strukturierung von Spielabläufen, was zu einem reibungsloseren und unterhaltsameren Spielerlebnis führen kann.
Nun werden aber im Spielerhandbuch, im Dungeon Master Guide und in den anderen Regelerweiterungen die Regeln nicht in Form von Spielmodi erklärt. Im DMG gibt es z.B. einen Abschnitt für Erkundung, aber wie man ihn wirklich anwendet, wie dieser Spielmodus am Ende aussehen soll, wird dort nicht erklärt.
Vielleicht werden der neue Dungeon Master Guide und das neue Spielerhandbuch, die WotC Ende des Jahres herausbringen will, hier Verbesserungen bringen – aber bis dahin sind wir DMs auf uns allein gestellt.
Als Sofortmaßnahme kannst du als Dungeon Master anfangen, in Spielmodi zu denken. Als erstes denkst du an Bereiche im Spiel, die du bisher als unbefriedigend empfunden hast und die du bisher im freien Spiel gelöst hast – Wildnis-Reisen? Downtime in der Stadt? Einkaufen?
Und dann versuche, dich ein wenig vom freien Spiel zu lösen und überlege, wie du diesen Bereich vielleicht schon mit den bestehenden Regeln und Mechaniken anders gestalten könntest. Könnte es bei der Erkundung der Stadt helfen, einfach eine (abstraktere) Karte vor die Spieler zu legen? Sollte man die Erkundung/Reise in die Wildnis vielleicht in Runden aufteilen, um sie besser handhaben zu können?
Eine Stadt erkunden, die Gruppe für ein Abenteuer ausrüsten, durch die Wildnis zu einem Dungeon reisen, den Dungeon erforschen, einen Mord in der Stadt aufklären oder die eigene Burg verwalten – all das sind Dinge, die man im freien Spiel erledigen kann, die aber davon profitieren würden, wenn man den Spielmodus etwas modifizieren würde, um den Anforderungen gerecht zu werden.
Mit den Fragen:
- Was ist der Ziel der derzeitigen Spielsituation?
- Sind die Dinge die ich gerade mache dafür Zielführend?
kann man gut überprüfen, ob man derzeit das optimale Spielgefühl erzeugt.
Ich hatte z.B. einen Dungeon Master, der uns selbst beim Shopping und der Stadterkundung von Battle-Map zu Battle-Map (ohne Kämpfe) geschoben hat, wo wir dann unsere Token platzieren sollten – was aber keinen nennenswerten Vorteil brachte. Aber der DM hatte das Spiel so gelernt und dank VTTs ist es auch einfach, überall Karten zu verwenden, auch wenn sie keinen Sinn machen. Das war sein Standard-Spielmodus. Man sollte als DM sich also alle drei Bereiche eine Spielmodus anschauen: Der Wahrnehmung, der Interaktion und dem Spielablauf.
Im Bereich der Wahrnehmung kann immer wieder überlegt werden, ob die aktuelle Darstellungsform sinnvoll ist. Brauche ich Karten oder nicht? Würden NPC-Portraits das Spiel jetzt verstärken? Gegenstandskarten zum Verteilen ja oder nein?
Im Bereich Interaktion kann man sich immer überlegen, ob man einen Rahmen setzen kann, was die Spieler machen können, ähnlich wie im Kampfmodus, wo man die Aktionen auf Aktion, Bonusaktion usw. einschränkt.
Im Bereich Spielablauf kann man immer schauen, wie man das Ganze organisiert? Brauchen wir eine Initiativreihenfolge für soziale Interaktionen (Nein!)? Spielen wir jeden einzelnen Kauf durch oder abstrahieren wir?
Wie geht es weiter?
Meine Idee ist nun, in weiteren Blogbeiträgen einzelne Bereiche herauszugreifen und mögliche Spielmodi für diese zu erklären bzw. zu entwickeln, wenn ich keine passenden finde.
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Euer A.B. Funing